Sobald sich die GSG-9-Beamten unter dem Rumpf der 737 befanden, sollten sie die Mission über alle Eingänge zugleich durchführen. Wegener teilte seine Männer in zwei Hauptgruppen auf. Die eine sollte über die Türen zu beiden Seiten des Cockpits und über die Notluke über der linken Tragfläche eindringen und dann das Cockpit, die erste Klasse und den vorderen Teil der Economy-Klasse von Terroristen säubern. Die hintere Gruppe wurde für die restlichen Eingänge abgestellt und sollte die hintere Hälfte des Flugzeugs sichern. Außerdem hatte sie die zusätzliche Aufgabe, dabei zu helfen, die Geiseln bei der ersten sich bietenden Gelegenheit von Bord zu bringen.
Am 17. Oktober etwa gegen 22.45 Uhr teilte Wegener seinen Männern mit, dass die Erstürmung bald beginnen würde. Ausgelöst werden sollte sie durch das Codewort »Feuerzauber«. Bevor die Einsatzkräfte das Flugzeug betreten konnten, lag jedoch die gefährliche Überquerung der Rollbahn vor ihnen. Etwa um 1.00 Uhr nachts am 18. Oktober formierten sich die GSG-9-Mitglieder zu einer schmalen Kolonne und begannen den Vormarsch vom Nordende der Rollbahn zum Flugzeug. Der Weg nahm viel Zeit in Anspruch, denn die Männer mussten auf der Piste Hunderte von Metern langsam und geduldig zurücklegen, ohne das geringste Geräusch zu verursachen.
Um möglichst unsichtbar zu werden, hatten die Teammitglieder ihre Gesichter und Hände geschwärzt. Um keinen Verdacht zu erregen, waren jedoch die Lichter der Flughafen-Terminals nicht ausgeschaltet worden, sodass der gesamte Flughafen in helles Licht getaucht war. Die Anwesenheit der GSG 9 wurde den Blicken durch ihren Annäherungswinkel entzogen. Die Truppe bewegte sich im toten Winkel genau in der Linie, die vom Heck wegführte. Die Flughafenbeleuchtung aber warf die Schatten ihrer Körper auf den Boden, und diese Schatten wurden immer länger und erstreckten sich auch zu den Seiten des Flugzeugs, wo sie von wachsamen Augen hätten erspäht werden können. Um den Schattenwurf zu reduzieren, bückten sich die Beamten so tief wie möglich, während sie ihren langsamen, methodischen Marsch fortsetzten.
Der Vorstoß zur Landshut dauerte eine halbe Stunde. Zum Glück wurde niemand auf die sich nähernden Schatten aufmerksam. Endlich konnten die Beamten unter ihren zugewiesenen Zugängen in Stellung gehen und die Sturmleitern an den Rumpf und die Tragflächen des Flugzeugs anlegen. In der letzten Minute zeigte sich jedoch auch ein Problem damit. Die Beamten hatten den Sturm an einer Boeing 707 geprobt, doch nun stellte sich heraus, dass deren Heck tiefer lag als das der 737, weshalb die Leiter nicht an den weniger stark gekrümmten Teil der Rumpfwandung heranreichte. Zusammen mit dem unebenen Boden des Vorfelds führte dass dazu, dass die Spitze der Leiter in einem Winkel vom Rumpf wegzeigte und ständig abzurutschen drohte. Wegener musste rasch eine Lösung finden. Angesichts der Umstände war sie natürlich primitiv: Zwei Männer des Erste-Hilfe-Teams, das am Heck des Flugzeugs wartete, wurden dazu abgestellt, die Leiter durch Muskelkraft festzuhalten – eine anstrengende Aufgabe!
Als die Einsatzkräfte um 1.30 Uhr in Stellung gegangen waren, mussten sie warten. Kurz vor 2.00 Uhr erhielt Wegener von den Aufklärungsteams die Meldung, dass sich jetzt zwei der Entführer in der Nähe des Cockpits befanden, ein Mann und eine Frau. Der Anführer selbst saß im Pilotensitz. Das vierte Mitglied schien im Mittelgang auf und ab zu gehen. Das waren vielversprechende Nachrichten. Der Idealfall bestand darin, dass sich möglichst viele Terroristen an einer Stelle befanden, wenn der Angriff begann, sodass es leichter wurde, sie zu identifizieren, zu isolieren und zu töten. Jetzt war es Zeit, loszuschlagen. Alle Teammitglieder waren in Stellung, und die Aufklärungsposten hatten Wegener informiert, dass sich Mahmud weiterhin im Cockpit befand. Um 2.07 Uhr am 18. Oktober gab der Kommandeur das Codewort »Feuerzauber« durch, und die Angriffskräfte stürmten los.
Wie es weiterging und was während der Entführung an Bord des Flugzeugs geschah, erfahren Sie in dem Buch Operation Mogadischu.